Zu Zeiten der Republik Venedig war der Donnerstag vor Aschermittwoch nicht nur der eigentliche Beginn der Fastnacht. An diesem Tag wurde vor allem auch der Sieg des Dogen Vitale Michiel II. über Ulrich II. von Treffen, Patriarch von Aquileia, am giovedì grasso (ven. berlingaccio) des Jahres 1162 gefeiert. Aus diesem Grund nahm der Doge traditionell selbst an den Feierlichkeiten teil, zusammen mit dem Senat und den Botschaftern.
Auf der Piazzetta wurden Feuerwerke abgebrannt. Gruppen von Jugendlichen tanzten die arabische moresca, und junge Burschen von diesseits und jenseits des Canal Grande bauten menschliche Pyramiden. Die Zünfte der Schmiede und der Metzger schlachteten als Festbeitrag den ursprünglich vom Patriarchen von Aquileia jedes Jahr zu liefernden Ochsen und Schweine (8), diese blutige Tradition wurde nach 1420 jedoch zur harmlosen Unterhaltung.
Unter den vielen Darbietungen auf dem Markusplatz fand das Marionettentheater unter dem Campanile besonderen Anklang, das immer neue Abenteuer der traditionellen Masken inszenierte. Darüber hinaus wurden dem staunenden Publikum wilde und exotische Tiere in Zwingern präsentiert. Ansonsten gab es Lotterien, Zähne wurden gezogen, Astrologen weissagten die Zukunft, Quacksalber verkauften Heilmittel. In den Ecken des Platzes traten Akrobaten und Seiltänzer auf.
Das Fest erreichte seinen Höhepunkt mit dem 1548 erstmals ausgeführten sogenannten Engelsflug: ein Akrobat kletterte über ein in der Bucht vor dem Markusplatz an einem Floß verankertes doppeltes Seil bis zur Spitze des Campanile und warf von dort aus Blumen in die Menge; dann balancierte er zur Tribüne vor dem Dogenpalast hinunter.
Die Karnevalsaison war auch die Hauptspielzeit der Theater. Die Vielfalt der Festlichkeiten kannten im Karneval kaum Grenzen. Berühmt waren die Bullenhatzen, ebenso die blutigen Kämpfe zwischen Hunden und Bären.
Rauschende Kostümfeste fanden zur Freude der Einheimischen in den schönsten Bauten Venedigs statt, und auf den Gassen wurden die schönsten Masken präsentiert. Fastnachtdienstag, am letzten Tag des Karnevals, erreichte das Fest schließlich seinen Höhepunkt.
Tausende von masqueraders liefen durch die mit Fackeln beleuchteten Straßen. Zum Schluss wurde zwischen den zwei Säulen am Südrand der Piazetta vor dem Markusplatz eine enorme Figur mit Pantalones Maske verbrannt, während die Menge skandierte: „Es ist vorbei, es ist vorbei, der Karneval ist vorbei!“
Dazu läutete die Fastenglocke von San Francesco della Vigna langsam und getragen die Fastenzeit ein.
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